Leben & Werk

Versuche, die Sprache der Farben verständlich zu machen, ohne sie zu übersetzen – Zu den Bildern von Rolf Hans

"Ich habe eigentlich nie Kunst gemacht, um von ihr zu leben,
ich habe Kunst gemacht um
zu Leben."

Rolf Hans entzog sich bewußt dem Kunstmarkt, denn „sich den Verführungen der Kunstindustrie beugen heißt: Verrat üben, solche Beugung verletzt das Rückrat.“ Auch präsentierte er seine Werke in nur wenigen Ausstellungen (seit 1964) der Öffentlichkeit. So gab er sich ganz im Stillen mit äußerster Selbstdisziplin der Malerei hin.

Schon früh interessierte sich Rolf Hans für die Kunst. Zunächst war es die Musik, vor allem der Jazz und die Neue Musik, die ihn begeisterten. Eine Leidenschaft, die ihn sein gesamtes Leben begleitete und seine Malerei immens prägte. Daneben began er mit dem Photographieren. 1958 entdeckte er dann seine Liebe zur Malerei und befaßte sich von da ab intensiv mit ihrem Instrumentarium. So strebte Hans von Anbeginn seines Schaffens danach, dem täglich Erfahrenen eine andere, eine neue Gestalt zu verleihen, ohne jedoch den Bezug zur Wirklichkeit mit und durch seine Kunst zu negieren. Vielmehr sah er durch die ständige kritische Überprüfung der Realität und der daraus hervorgehenden Kreativität ein Zurückgreifen in das Alltagsleben, was zugleich eine Bewußtseinserweiterung bewirkte.

Impulse für seine Malerei fand Hans insbesondere in der Natur. Er war fasziniert von den unendlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten der Landschaft im Wechsel der Jahreszeiten. Die Anmut dieses Schauspiels suchte er im Tessin, wo er seit 1967 häufig seine Ferien verbrachte, wie auch während seiner Aufenthalte in Italien und seiner Reisen vor allem durch Spanien, Norwegen und Osteuropa. Stets hegte er dabei den Wunsch, die Natur zu ergründen und Teile ihres Ganzen zu erfassen. Sie „beobachten, ihre Wandlungen wahrnehmen, die Stadien ihrer Schönheit aufsaugen, erzeugte Gefühle der Freiheit. Man atmete auf und verzichtete auf andere Triumphe.“ Hans besah die Dinge und nahm sie in sich auf. Dies tat er meditativ, ohne jegliche Gedanken, um den Kopf freizuhalten für die reine sinnliche Wahrnehmung. „Teilt man sich mit, beginnt die Suche nach Namen der Kommunikation wegen und weil es einfacher ist [... als] zu beschreiben.“ Dieses verbale Unvermögen wollte er aufheben und machte es sich zur Aufgabe, in seinen Bildern den Zauber der Natur im ewigen Rhythmus des Werdens und Vergehens widerzuspiegeln.

Um eine adäquate malerische Ausdrucksweise für seine inneren Reflexionen zu finden, verzichtete Hans auf jegliche Abbildlichkeit und jegliches narrative Moment.

"Ich bilde mit Künstlerischem, weil mir die Wahrheit meiner Umgebung suspekt erscheint. In der Kunst schaffe ich mir eine Wahrheit, vielleicht von wenig Realität, und doch steht meine ganze Existenz dahinter."

Sein wesentlicher Bildgedanke galt der Farbe; diese zur Darstellung zu bringen war sein wichtigstes Anliegen. „Die Welt, ganz allgemein, ist bunt, mit Farbigkeit nähert man sich dem Ideal, Farbloses wäre unangemessen.“ Folglich war Farbe für ihn alleiniger Träger der Aussage auf der Bildfläche: Sie besitze Eigenwert. Sie sei Gewicht, Qualität, Bewegung und Expansion. Ihre Intensität erreiche sie durch ihre Begrenzung und durch das Zusammenspiel mit benachbarten Farben. Und sie schaffe Fläche, Form und Raum. Kontinuierlich erforschte Hans die Wirkung der verschiedenen Farbtöne, das Gesetz ihrer Beziehungen und Abhängigkeiten untereinander, ihre Kontraste und Entsprechungen, ihre Harmonien und Dissonanzen. Deshalb gab er uns ausschließlich im Anordnen der Farbtöne und deren Formen sowie im Vereinen von Organischem und Dynamischem das Gesehene und Erlebte wieder.

Wie in der Musik diente ihm dabei die unterschiedlichen Eigenschaften und Malmaterialien der Farben als Instrumente, die er in seinen Kompositionen zu klangvollen Moll- und Dur-Akkorden zusammenfügte: „Die Farbe soll nicht nur visuell erlebbar sein, sie muss körperlich spürbar werden, wie Orgelklang. Nicht gleich dem alle Register ziehenden Spiel der Klangfetische, vielmehr ähnlich den klaren Darstellungen von Bach, den Visionen von O. Messiaen, der Direktheit von C. Franck, in ihrer zartesten Ausstrahlung, dem Verstummen der dritten Sonate von Mendelssohn-Bartholdi."

Damit einher ging für Hans die Auseinandersetzung mit der Farbform, denn sie „entstammt dem Geist, verhindert Willkür, zwingt zur Ordnung, fordert die Sinne, erlaubt Analyse und lässt genügend Spielraum der Seele.“ Die Gliederung der Fläche beinhaltete für ihn allerdings nicht das Arrangieren einer bestimmten Anordnung: „Das bildnerische Denken und Arbeiten sollte dem Geistigen so nahe stehen wie dem seelischen und vitalen. Die Zeichnung als Entwurf, als Mittel zum Zweck, ist intellektuell. Das Bild muss, allein durch die Deutung der Farbe, spontan sein. Ich meine Farbe als Gestaltwert des Bildes.“

Sprache der Farben

"Teilt man sich mit, beginnt die Suche nach Namen der Kommunikation."

Um sich die „Sprache der Farben“ zu erarbeiten, lotete er ihr Vokabular und ihre Grammatik in unterschiedlichen Formulierungen aus: Zu Beginn sind es die „Flecken-“ und „Streifenbilder“ von 1961 bis 1967, bei denen sein Interesse der Wirkung von expressiven Farbfigurationen galt. In den folgenden drei Jahren konzentrierte er sich dann in den „Schachtel-„ und „Eckenbildern“ auf die optische Erscheinung der Farben. Hatte Hans sich in diesen „Lehrjahren“, wie er sie nannte, mit den reinen Pigmentfarben beschäftigt, widmete er sich in den „Flächenbildern“ von 1971 bis 1976 den gemischten Farbtönen. Hier knüpfte er an die Kompositionen der „Streifenbilder“ an und forcierte zugleich die in den „Eckenbildern“ angekündigte Reduzierung des Farbenkanons. Diese kulminierte schließlich in den „Monochromen Bildern“ von 1976 bis 1990, wobei er ab 1979 auch wieder reine Farben verwendete. 1990 wendete sich Hans dann von der Malerei ab und vertiefte sich in den Objektzyklus „Poesie der Dinge“, den er drei Jahre zuvor begonnen hatte. Daneben fertigte er bis 1995 Papiercollagen an, in denen er seine Aufmerksamkeit auf die Farbform legte.

Ein Blick auf Rolf Hans‘ umfangreiches malerisches Oeuvre zeigt, wie besonnen er sich den Herausforderungen und Problemen stellte und innovative Lösungen fand. Davon zeugen beeindruckend seine Gemälde sowie seine Arbeiten auf Papier, hier vor allem die Aquarelle und Pastelle. Diese beiden bevorzugten Maltechniken beherrschte Hans vollkommen; besonders im Umgang mit der Pastellkreide rang er dem spröden Material ungeahnte Ausdrucksmöglichkeiten ab.

Biographie

1938
Geboren am 25. Januar in Frankfurt a. M.
1956
Absolviert eine Lehre zum Bankkaufmann. Erste Photographien entstehen. Inspiriert hierzu wird er von seiner Ehefrau Magda, die eine ausgebildete Photographin und Opernsängerin ist. Nimmt als Schlagzeuger und begeisterter Jazzliebhaber regen Anteil an der Frankfurter neuen Musikszene.
1958
Beginnt seine malerische Tätigkeit als Autodidakt. Freundschaft mit dem Bildhauer Hans Steinbrenner.
1961-1963
Schüler des „Quadriga“-Künstlers Heinz Kreutz, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet. Durch seine Frau, die in erster Ehe mit Kreutz verheiratet war, lernt er seinen Mentor kennen.
1961-1965
„Fleckenbilder“
1963
Übersiedlung mit seiner Familie nach Basel. Den Lebensunterhalt bestreitet er als IT-Kommunikationsfachmann.
1964
Erste Ausstellung. Durch den Galeristen Toni Brechbühl, der seine Bilder in den folgenden Jahrzehnten zeigt, kommt er mit Künstlern wie Jean Tinguely, Bernhard Luginbühl und dem Maler Niklaus Hansenböhler in Verbindung.
Seit 1965
Kontakt zur Szene der neuen zeitgenössischen Musik und Mitgliedschaft in der Internationalen Gesellschaft für Neue Kunst (IGNM). Zu seinem Freundes- und Bekanntenkreis zählen Komponisten, Dirigenten und Musiker wie z.B. Armin Jordan, Jürg Henneberger, Heinz Holliger, Thomas Kessler, Marianne Schroeder, Daniel Weissberg und Jürg Wütrich.
Wann immer möglich, dokumentiert er die Proben- und Konzertbesuche mit der Kamera. So entsteht eine große Anzahl an Porträtaufnahmen der Musiker. Seine Photos erscheinen auch als CD-Covers und -Boocklets.
1966-1967
„Streifenbilder“ Reise nach Ibiza.
Seit 1967
Jährliche Aufenthalte im Centovalli/Tessin. Regelmäßige Besuche von Kunst- und Musikveranstaltungen in der Schweiz und Deutschland sowie u.a. in Paris, Mailand, Amsterdam, London, Florenz und Venedig.
1967-1968
„Schachtelbilder“
1969-1970
„Eckenbilder“
1971-1975
Erste Skulpturen entstehen.
1971-1976
„Flächenbilder“
1975
Freundschaft mit dem amerikanischen Galeristen Bob Feldmann, mit dem in Mailand lebenden, chinesischen Maler Ho-Kan (Ho Kan) sowie mit dem amerikanischen Jazzkünstler Anthony Braxton.
Seit 1976
„Monochrome Bilder“
1978
Lernt die amerikanischen Komponisten John Cage und Morton Feldmann kennen. Mit beiden verbindet ihn eine tiefe Freundschaft.
1983
Im Sommer Reise durch Spanien.
1985
Sommeraufenthalt in Valle Steria, Italien.
1987
Beginn der Objekte für den Zyklus „Poesie der Dinge“. Seine Malerei tritt in den Hintergrund. Reise durch Norwegen.
1988
Sommeraufenthalt in der Toskana. Sehr enge Freundschaft mit dem ungarischen Komponisten György Kurtàg. Für dessen CD-Covers werden viele seiner Photographien verwendet.
1989
Reise durch Polen.
1990
Letzte malerische Arbeiten entstehen.
1990-1995
„Papiercollagen“
1994
Reise durch Andalusien. György Kurtàg widmet ihm die Liedkomposition „Friedrich Hölderlin: Zwei Fragmente – Hommage à Rolf Hans“.
1996
Stirbt am 10. Juli in Basel.