„Streifenbilder“ 1966 – 1967

Barnett Newman, Tertia, 1964,
Öl auf Leinwand, 198 x 90 cm,
Moderna Museet, SKM, Stockholm
Mark Rothko, Orange, Wine, Grey on Plum, 1961,
Öl auf Leinwand, 265,4 x 235 cm,
Privatbesitz

In dem Bestreben, seine Bildsprache auf das Wesentliche zu konzentrieren, wendet sich Rolf Hans 1966 von den Fleckenfigurationen ab und abstrahiert seine Kompositionen noch weiter, indem er sie nun zu einfachen, konstruktiven Farbfeldgefügen komprimiert. Mit diesem Schritt fokussiert er noch mehr die Farbe als Aussageträger. Anregungen zu diesem neuen Weg findet Hans wohl durch die „Colourfield Paintings“ der amerikanischen Abstrakten Expressionisten, allen voran die Gemälde von Barnett Newman und Mark Rothko. Den malerischen Ausdruck von Stimmungs- und Gefühlswerten suchen diese Künstler allein durch die emotionale Kraft der Farbe wiederzugeben, wobei sie sich auf wenige ordnende Linien beschränken. So erzielen beide mit ihren homogenen Farbfeldern, die scheinbar keinem kompositionellen Aufbau unterliegen, eine elementare Farbwirkung und eine visuelle Illusion von Farbräumen, die zur Meditation einladen.

Zu inneren Einkehr regen auch die „Streifenbilder“ an. Gleich der Musik reiht Hans in ihnen ausnahmslos vertikal oder horizontal ausgerichtete Linien, Streifen und Balken aneinander. Deren jeweiliger Farbton ergibt den Klang, die Ausbreitung das Tempo und die Abfolge den Rhythmus. Dabei werden die Farbfelder unterschiedlich behandelt: Sie können fest umrissen sein oder an ihren Rändern ausufern; sie können hart aneinander stoßen oder sich kaum berühren; sie können sich überlappen oder überlagern. Aus diesem Zusammenspiel entspringt die bildimmanente Energie. Um diese zu erschließen, müssen wir genauer hinschauen. Erst dann werden wir die Korrelation von Bewegung und Gegenbewegung sowie die Spannungsverhältnisse zwischen Farben und Formen erkennen. Die Gesamtkomposition visualisiert schließlich den Akkord, mittels dessen Hans uns seine inneren Reflexionen kundtut. Das so Vorgetragene beschränkt er jedoch nicht auf das Bildformat, denn ohne jegliche malerische Beschneidung reichen die Farbstreifen über dessen Grenzen hinaus. Dergestalt weist Hans auf ein allgemeingültiges Prinzip hin und steigertet dieses zugleich ins Monumentale.

 

Hierzu trägt auch bei, daß er den Bildern meist Titel gibt, die sich lediglich auf die verwendeten Farbtöne beziehen. Bei dem Temperabild „Krokus“, 1966, ist hingegen der Kompositionsanlaß benannt. Doch sind keine beschreibenden Formen – etwa die trichterfömigen weißen oder violetten Blüten – zu erkennen. Allein durch das Nebeneinander der schmalen oder breiten, senkrechten Streifen vernehmen wir den feinen Farbenklang dieser Frühjahrsblüher: Strahlendes Blau und Dunkelgrün, gedecktes Weiß und Hellgrün wechseln sich rhythmisch ab, wobei eine rote und zwei gelbe Linien flimmernde Akzente setzen. Hans ist besonders fasziniert von der Farbenwelt der Blumen, von ihrer Vielfalt, ihren Abstufungen und Gegensätzen, ihrem sanften Schimmer und ihrem betörenden Duft. Er bezeichnet sie als „Multi-media“ und bemängelt mit einem Augenzwinkern, daß sie keine Musik machen. Selbst im Welken der Blüten sieht er eine Entwicklung von Persönlichkeit – die Individualität als Zeichen des Vergehens –, da zu diesem Augenblick keine Blüte der anderen gleicht. Immer wieder animieren sie ihn zu eindrucksvollen Farbkompositionen (vgl. auch „Rittersporn“ gegenüberliegende Seite).

Der Gesang auf die Stimmung eines heißen und dunstigen Sommertages mag das Aquarell „Rot-Grün (Ibiza)“, 1966, darstellen. Das Blatt wird beherrscht von breiten Querbalken in einem transparenten Erdton bzw. einem kräftig leuchtenden Rot. Begleitet werden diese von gleichgerichteten breiten und schmalen Linien in dunklem Grün, lichtem Violett und gleißendem Weiß. Der dem Bild innewohnende flirrende Effekt wird nicht nur durch den Komplementärkontrast von Grün und Rot erzeugt, sondern auch durch die Wechselwirkung von Violett und Gelb, das hier in Form eines dünnen gelben Strichs hervorblitzt. Intensiviert wird dieser Eindruck noch durch das partielle Ausfließen der roten Wasserfarbe; insbesondere im oberen Bildbereich, wo man an die Erscheinung einer Fata Morgana denken könnte.

 

Krokus - Rolf Hans Krokus, 1966
Rot Grün Ibiza - Rolf Hans Rot-Grün (Ibiza), 1966
Rohes Spiel - Rolf Hans Rohes Spiel, 1966
 
Rot Grün Ibiza - Rolf Hans Rot - Rhythmisch, 1967
Rot und Grau - Rolf Hans Rot - Rhythmisch, 1967

Auch die Komposition „Rohes Spiel“, 1966, mag ein Naturerlebnis wiedergeben. Vielleicht ist es, ausschnitthaft, das Farbenspektakel eines Sonnenunterganges, wobei offen bleibt, ob es sich am Himmel oder aber als Spiegelung im Wasser vollzieht. Die Quelle der Beleuchtung ist nicht ersichtlich, vielmehr sind es die Farben selbst, die von innen heraus strahlen und alles in ein transzendentes Licht tauchen. Erreicht wird dieses mittels des schichtweisen Auftrages der Pastellkreiden, so daß die unteren, helleren Farblagen mal mehr, mal weniger durchschimmern. Dies geschieht auch bei den monochromen blauen Streifen, die das große Mittelfeld oben und unten rahmen. Über dessen blauen Grund ziehen rote über gelbe Nebelschwaden. „Roh“ mag diese Darstellung durch die gewählten Formalien erscheinen, etwa durch die klaren, unvermischten Primärfarben Blau-Rot-Gelb, durch das spröde, nicht verwischte Material der Kreide oder durch den harten Gegensatz von monochromer und mehrfarbiger Fläche. Aber die Synthese all dessen ergibt ein harmonisches Einvernehmen.

Eine kontemplative Ruhe geht demgegenüber von „Rot - Rhythmisch“, 1967, aus. Ausdrucksvoll sind die Stimmungs- und Gefühlswerte mittels des Klanges nur zweier Farbtöne noch reduzierter niedergeschrieben. Ausgewogen erscheinen die von Grau flankierten roten Bahnen. Auch hier ist die Acrylfarbe in Schichten aufgebracht. Dieses Mal in transparenten Lagen vom dunklen zum hellen Ton, wodurch die Intensität sowie die Wirkung des Rots erhöht wird. An den Berührungsstellen der Streifen kommt stellenweise der Bildträger zum Vorschein, so daß wir meinen könnten, sie schwebten vor der Leinwand. Dieses Moment des Nach-Vorne-Dringens wird durch die leichten Farbabstufungen in den Randbereichen der Streifen verstärkt. Die eigentliche Dynamik des Gemäldes liegt aber in der Spannung zwischen den Farbpartien. Bilder wie dieses erinnern an Arbeiten von Mark Rothko, der ihnen mittels seiner Lasurtechnik ein geheimnisvoll leuchtendes Innenleben und eine unergründliche Tiefe gibt. Hans schätzt die Malerei des Amerikaners sehr und beschäftigt sich mit ihr in den folgenden Jahren noch eingehender.

Ist die Gestaltung der bisherigen „Streifenbilder“ ausschließlich vertikal oder horizontal ausgerichtet, tritt 1967 der rechte Winkel auf die Bildfläche. Er ist der Grund dafür, daß bei „Rot und Grau“, 1967, die Dramatik zwischen den Farbfeldern eine Steigerung erfährt. Hier treffen das kleine rote Quadrat und der darunterliegende breite dunkelgraue Balken aufeinander, die wiederum auf den schmalen hellgrauen Streifen zu ihrer Linken stoßen. Die dunklen Linien an den Reibungskanten – sie ergeben sich durch die darunterliegenden Farblagen – verstärken die Vitalität des Geschehens.

Konnten sich bei den „Fleckenbildern“ durch die Anordnung, Ausformung und Dynamik der organischen Flecken und Flächen Gedanken an ‚polterndes Fallen‘, ‚lautes Explodieren‘ und ‚leises Schweben‘ oder ähnliches einstellen, so ist nun bei den „Streifenbildern“ unsere Vorstellungskraft noch stärker gefordert. Denn durch die Reduzierung der Farbformen schafft uns Hans einen großen Raum für mögliche Gedankenspiele.